Ford F-150: Wie das Land, so das Auto.

 

Modern und rückständig zugleich, innovativ und rustikal und vor allem riesig gross: Der neue Ford F-150 ist ein Spiegelbild seiner Heimat. Und vor allem ist der Pick-Up ein faszinierendes Auto, aus dem man gar nicht mehr aussteigen möchte – zumindest, wenn man damit in Texas unterwegs ist.

San Antonio/Texas/USA. Viel näher als in Gruene liegen die alte und die neue Welt wohl nirgends beisammen. Denn in dem verschlafenen Kaff zwischen New Braunfels und San Antonio sprechen sie Deutsch aber leben amerikanisch, man isst Burger im Biergarten, der Town Square heisst noch Marktplatz und wo man hinschaut, wehen deutsche und amerikanische Flaggen am gleichen Mast. Gruene wurde zwar 1872 von Deutschen gegründet – aber es liegt im Herzen der USA.

Ford F150 – der legitime Nachfolgers des Planwagens der Siedler

Brezeln, Bratwurst und die Bibel in Fraktur – beim Bäcker, auf der Speisekarte der Town Hall und in der Auslage des örtlichen Buchladens ist das deutsche Erbe quicklebendig. Doch auf der Strasse sucht man nach Audi, Mercedes oder VW vergebens. Denn Gruene liegt in Texas und dort fährt man keine Kleinwagen, wie sie die in Good Old Europe bauen. Wer etwas auf sich hält in Gruene, TX, der ist im Ford F-150 unterwegs. Als Amerikas Pick-Up Nummer 1 ist er schliesslich nicht nur das meistverkaufte Auto im Land – und das schon seit über 30 Jahren. Er ist auch der legitime Nachfahre des Pritschenwagens, mit dem die Siedler einst Staaten wie Texas erobert, den Wilden Westen zivilisiert und Städte wie Gruene überhaupt erst gegründet haben. Kein Wunder also, dass Ford ausgerechnet diesen Flecken für die erste Ausfahrt mit dem neuen Modell gewählt hat, das in diesen Tagen in den Handel kommt.

Audi, Jaguar oder Land Rover werden zu Nebendarstellern

Dabei wäre der F-150 im Silicon Valley, na ja, zumindest in der pulsierenden Innenstadt von San Antonio, genauso gut aufgehoben wie hier auf dem gar nicht so platten Land. Denn so rustikal die Grundidee vom Pick-Up mit Starrachsen und Leiterrahmen auch sein mag, ist der F-150 in der 13. Generation ein richtig modernes Auto. Er ist zum Beispiel das erste Auto diesseits der Luxusklasse, das komplett aus Aluminium gebaut wird. Und zwar in Grossserie. „Mit einer Jahresproduktion von bis zu 700’000 Autos werden wir zum grössten Alumium-Abnehmer in der Fahrzeugindustrie“, prahlt Chef-Ingenieur Pete Reyes. Selbst Audi, Jaguar oder Land Rover werden da zu Nebendarstellern.

Wenn Chefkonstrukteur Reyes den Amerikanern den Leichtbau schmackhaft machen will, dann kommt er ihnen nicht mit Emissionen oder Effizienz. Obwohl der F-150 nach seiner 300 Kilo-Diät ein Fünftel weniger verbraucht und in der sparsamsten Version mit nicht einmal zehn Litern zufrieden sein dürfte. Denn Klimaschutz ist Nebensache in einem Land, in dem die Air-Condition nie ausgeschaltet wird oder die Pick-Ups vor dem Diner in Greune den ganzen Abend im Leerlauf orgeln, nur damit die Cola im Cupholder schon kühl bleibt.

“More capable than ever”

Und über die Tankrechnung denkt auch keiner nach, wenn die Gallone Sprit gerade mal wieder billiger ist als der Liter Bier aus einer deutschen Export-Brauerei. Reyes erzählt seinen Kunden lieber, was der neue F-150 jetzt alles schleppen kann, wo er an sich selbst nicht mehr so viel zu schleppen hat: „More capable than ever“, lautet sein Mantra, mehr Nutzen als je zuvor: Also noch mehr Rinderhälften oder Heuballen, Bauschutt oder Minibagger und noch mehr Campingausrüstung oder Sportgerät, sagt der Chief Engineer und in seinen Zuhörern erwachen die Siedler, die beim grossen Treck in den Westen wieder etwas weniger zurück lassen müssen.

Ein Truck aus Aluminium, dem Labberblech, aus dem die Bierdosen gemacht werden, die jeder ordentliche Cowboy mit einem gezielten Tritt in eine kleine Kugel verwandeln kann? Damit sich bei aller Begeisterung nicht auch eine gehörige Portion Skepsis ins Bewusstsein schleicht, streut Reyes in jeden zweiten Satz ein, wie „tough“ der neue F-150 ist: Er erzählt von einem mehrere Millionen Meilen langen Marterprogramm, von Folterstrecken und Dauerläufen unter härtesten Bedingungen. Und er schickt seine Premierengäste nicht nur über Highways und Byways und hängt ihnen tonnenschwere Trailer an den Haken. Er treibt sie auch über einen Offroad-Parcours, auf dem der Pick-Up zum Amphibienfahrzeug wird und sich mit seinem Allradantrieb durch knietiefen Schlamm wühlen muss.

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Der Chief Engineer und freut sich dabei über bis zu 20 Prozent mehr Miles per Gallon. Möglich wird das mit einem Antrieb, der ähnlich revolutionär ist wie der Aufbau des F-150. Denn über die 2,7 Liter Hubraum des neuen 325 PS- und 510 Nm starken V6-Motors hätten die Cowboys auf der Kung Ranch noch bis vor ein paar Jahren herzhaft gelacht. Und ein Pick-Up mit Start-Stopp-Automatik scheint ihnen so sinnvoll wie eine Smith & Wesson mit Platzpatronen. Doch bei Fahrleistungen auf dem Niveau eines Acht- und dem Verbrauch eines Vierzylinders bleibt selbst dem hartgesottensten Cowboy das Lachen im Halse stecken: „Mehr Motor braucht man nicht“, wundern sich die US-Tester – dabei hatten sie eben noch ein Hohelied auf den V8 gesungen, den Ford mit fünf Litern Hubraum und 385 PS für die ewig gestrigen sicherheitshalber doch noch im Programm gelassen hat.

Für Preise, die umgerechnet bei lächerlichen 21’000 Franken beginnen, gibt es nicht nur Extras wie automatisch ausfahrende Trittleitern, Flutlichter an allen Ecken und Enden, die erste elektrische Ladeklappe, ein extrem variables Innenleben mit bequemem Zugang durch weitflüglig öffnende Portaltüren und jede Menge Lack und Leder.

Cowboy-Feeling inklusive

So revolutionär der F-150 unter dem Blech sein mag, so vertraut fühlt es sich an, wenn man mit diesem Trumm durch Texas kutschiert: Man wähnt sich tatsächlich wie auf dem Kutschbock, schaukelt über schartige Highways und lässt sich im Nu von der Gelassenheit anstecken, die von dem riesigen Pick-Up ausgeht. Statt am Limit zu fahren, geniesst man lieber den Luxus, den der F-150 zu bieten hat: Platz ohne Ende und in der Top-Version ist sogar das Cowboy-Feeling inklusive. Denn in Kooperation mit der legendären King Ranch hat Ford aus dunklem Holz und weichem Leder ein Ambiente geschaffen, das förmlich nach Blockhaus und Kaminfeuer duftet – Brandzeichen in den Sitzen inklusive.

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In Städten wie Gruene ist man damit der Star und darf vor der Townhall in der ersten Reihe parkieren – selbst wenn das Heck zwei Meter auf die Strasse ragt. Und sogar die paar deutschen Touristen, die auf der Suche nach ausgewanderten Verwandten über die staubigen Strassen schlendern, schütteln nicht den Kopf, sondern schauen neugierig nach dem blauen Riesen, der da nach einem Tag in Texas staubig und schmutzverkrustet abkühlt,  wie ein Pferd, das nach einem heissen Ritt über die Steppe vor dem Saloon am Trog steht.

Viel näher als hier in Gruene werden sie dem Golf der Amerikaner allerdings nicht kommen. Denn obwohl Ford sein Modellprogramm gerade globalisiert und endlich die US-Legende Mustang ganz offiziell nach Europa exportiert, bleibt der F-150 dem amerikanischen Kontinent vorbehalten, erteilt Chefkonstrukteur Reyes allen Sehnsüchten eine Absage. Schliesslich würden wir so ein Auto doch ohnehin nicht verstehen.

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